Titus Schade

DURCHGANG

22. April bis 12. Juni 2022
Dienstag bis Sonntag, 11–17 Uhr
Kunstverein Augsburg,
Holbeinhaus, Vorderer Lech 20

Künstlergespräch und Umtrunk:
Freitag, 6. Mai 2020, 16–21 Uhr

Es sind befremdliche, fast beängstigende Bildwelten, in die uns der in Leipzig lebende und arbeitende Maler Titus Schade (*1984) einlädt. Kulissenhafte Architekturen, Versatzstücke von Gebäuden, die eigentlich überall stehen könnten: Speicher- und Industriegebäude, überragt von Fabrikschloten, Ein- und Mehrfamilienhäuser, wie sie in der Nachkriegszeit vielerorts entstanden – gleichförmig, seelenlos, austauschbar. Oft raubt ihnen Schade einen Teil ihrer Persönlichkeit, verleiht ihnen ein merkwürdiges Antlitz, indem er sie fast fensterlos in seine Landschaften stellt. Dort stehen sie dann, nicht wirklich verortet und mit dem Grund verwurzelt, sodass wir sie scheinbar mit einem Handstreich von der Bildfläche räumen könnten. Doch dann sind dort auch immer wieder diese Fachwerkhäuser, Zeichen der Beständigkeit, vermeintliche Zeugen von Geschichte ebenso wie Schauplätze von Geschichten. Nur zuordnen können wir auch diese nicht. Was immer sich dort abgespielt haben mag, wir können es nur erahnen. Wer in den Höfen zwischen den vom Künstler erzwungenen Nachbarschaften von Platten- und Fachwerkbauten unter dem Vollmond eine Feuerstelle entzündet oder Graffitis hinterlassen hat? Titus Schade erzählt es uns nicht. Seine Welten sind menschenleer. Die Imagination von Gewesenem und vielleicht Zukünftigen, von der Existenz und dem Handeln eventueller Protagonisten überlässt er allein uns. Was er uns anbietet, ist eine oftmals düstere, zumindest zwielichtige Projektionsfläche für unsere Phantasie. Alles bleibt vage und stets wandelbar, aber immer in einem Stadium des offenen Durchgangs zwischen unserer und seiner ganz privaten, in sich geschlossenen Welt.

Konsequent hat Titus Schade seine Bildwelten in den vergangenen Jahren seiner noch jungen Malerlaufbahn in eine Ordnung gebracht. Er hat sie zu einer Art Grammatik fortentwickelt, die es ihm erlaubt, immer neue Stadtlandschaften und damit Ansatzpunkte für neue Erzählungen zu generieren. Diese Grammatik wird für uns les- und mitunter sogar greifbar – zumindest bildlich: sauber geordnet in Setzkästen und auf Regalen oder bereitgestellt auf Modelltischen. Aus ihrem Zusammenhang herausgelöst, geben sich dort Häuser als bloße, beliebig zu kombinierende Versatzstücke einer modellhaft konstruierten Wirklichkeit zu erkennen. Auf Bühnen oder scheinbar freischwebenden Grundflächen in Position gebracht, werden un- und überproportionierte Gebäude in Schades Malerei zudem als zweidimensionale Kulissen entlarvt. Dort treten strenge geometrische Konturen und dadurch oft kristallin wirkende Baukörper in einen spannungsvollen Dialog mit der Tiefe barocker Landschaften, begegnet kühle Computerästhetik der dichten Atmosphäre geradezu altmeisterlich auf die Leinwand geworfener Wolkenformationen.

In jüngster Zeit erweiterte Titus Schade sein Repertoire der Bildformationen um „Fliesen“. Auf den ersten Blick mutet ihr Dekor fast heimelig an, wirken sie einfach schön und vertraut. Doch schon auf den zweiten Blick entfalten sie ihr enormes stilistisches und narratives Potenzial. Jede Fliese erzählt eine eigene Geschichte, rückt andere seiner immer wiederkehrenden Protagonisten in den Vordergrund, lässt die Mühlen, Türme oder Burgen einmal im Stil eines nuancenreichen Aquarells, ein andermal als schlichtes Piktogramm hervortreten. In seinem Über- und Nebeneinander nimmt uns das Spiel des Künstlers mit dem Bildprogramm der Fliesen unmittelbar gefangen.

Es bleibt spannend zu verfolgen, wie sich die Bildwelt des Titus Schade in den kommenden Jahren weiter entwickeln wird. Hier will auch die Ausstellung im Kunstverein Augsburg nichts anderes sein als eine Zwischenstation – ein „Durchgang“. 

Titus Schade

geboren 1984 in Leipzig studierte ebendort von 2004 bis 2009 Malerei an der Hochschulefür Grafik und Buchkunst. 2009 schloss er mit Diplom bei Prof. Neo Rauch ab und war von 2011 bis 2013 dessen Meisterschüler.

Seit 2010 sind seine Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen zu sehen und in institutionellen wie privaten Sammlungen vertreten.

 

 

Rhombus, 2011; Sammlung Hildebrand, Leipzig; courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin; Foto: Uwe Walter, Berlin